Partnerschaft mit Tal Catran 2018 - Tal Catran im Interview 01.Juni.2018

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Äpfel und Birnen?

Silicon Valley, London, Cambridge oder Israel: Sie gelten gemeinhin als Hotspots für Durchstarter, Start-ups und technologiegetriebene Neugründungen. Aber warum eigentlich? Ein Gespräch mit einem, der es wissen muss: Tal Catran

Accelerator Guru, internationaler Keynote Speaker, TEDx Tech-Sprecher, Angel Investor, Vorstandsvorsitzender und Mitglied zahlreicher Advisory Boards national und international: Tal Catran ist ein beschäftigter Mann. Im Rahmen seiner Partnerschaft mit der Standortagentur Tirol und Startup.Euregio machte er in Tirol Stopp, um Mentoren ebenso wie Start-ups zu coachen. „Verglichen mit Israel ist die Start-up-Szene in Tirol etwas kleiner und jünger. Dennoch findet man hier Motivation und Professionalität. Die Ideen sind da, ebenso die die Fähigkeit, diese umzusetzen. Nun geht es an‘s Eingemachte, darum, aus Ideen funktionierende Unternehmen zu machen und damit Geld zu verdienen“, vergleicht Catran die Ausgangslage. „Die Start-up-Szene in Israel ist riesig. In Israel existieren rund 5.000 registrierte Start-ups. Eine starke Community aus Hochschulen, Industrie, Gemeinden, Mentoren, Investoren, Venture Capitalists und der Regierung unterstützt sie bei ihrer Arbeit. Was ein Start-up braucht, um zu wachsen – in Israel wird es das alles finden“, umreißt Catran die Ausgangslage in seinem Heimatland.

Die Mischung machts

Viel wurde gesagt und geschrieben über Israel als „Startup Nation“ – und manches kontrovers diskutiert. Etwa die Bedeutung des Militärs und der Wehrpflicht für den Unternehmergeist, oder jene der Immigration. Auch Geo- und Sicherheitspolitik wird angeführt: Wer nicht wisse, was das Morgen bringe, versucht heute, alles Machbare in Bewegung zu setzen. Fakt ist, dass eine Reihe wichtiger IT-Riesen, Großunternehmen und Venture Capitalists in Israel aktiv sind, darunter gut 400 multinationale Konzerne wie Intel, Amazon, Facebook, Google, Cisco, PayPal, und Samsung. Viele von Ihnen betreiben eigene F&E-Abteilungen in Israel – Start-ups profitieren von der räumlichen Nähe zu diesen Weltmarktführern und bekommen früh deren nächsten Schritte mit. 2017 wurden über 5,2 Mrd. US-Dollar in israelische Start-ups investiert. Vorwiegend stammten diese Investments aus den USA; aber auch aus Europa und China. Fakt ist ebenso, dass Israel zu den weltweit innovativsten Ländern der Erde zählt. Laut dem aktuellsten Bloomberg Ranking der innovativsten Länder hält Israel seinen 10. Platz von insgesamt 50 berücksichtigten Ländern. In den Kategorien F&E-Intensität und Forschungskonzentration überholt Israel Länder wie Südkorea und Dänemark und holt sich in diesen Kategorien Platz 1. Um seine führende Rolle im High-Tech-Bereich weiter zu stärken, wurde das nationale Förderwesen neu strukturiert – mit dem ehemaligen Apple Israel CEO Aharon Aharon an der Spitze der neuen Behörde. Neben Förderungen investiert Israel jährlich 4,7 Prozent seiner Staatsausgaben in Forschung – weltweiter Spitzenwert. In Ermangelung regionaler Märkte in Nachbarländern sind israelische Unternehmen stark auf den US-amerikanischen Markt ausgerichtet, erst danach kommen China, der europäische und der israelische Markt. „Wir haben keinen regionalen Markt, unsere Nachbarländer treiben kaum Handel mit Israel, Wir haben also gar keine andere Wahl, als uns international auszurichten”, meint dazu Catran. Und natürlich sei da die viel zitierte „Kultur des Scheiterns“, der Mut zum Risiko.

Innovation ernst gemeint

Letztlich gehe es, so Catran, aber auch um die Innovationsarbeit als solche. Es sei kompliziert, belastbare Beziehungen mit ausländischen Partnern aufzubauen, nicht nur wegen der entfernten geografischen Lage Israels. Wer als Start-up überzeugen wolle, dürfe sich nicht mit „Kleinigkeiten“ wie Apps oder Webdiensten aufhalten, meint Catran. Es gehe um tatsächlich disruptive Lösungen im großen Stil – was schon etablierte Unternehmen fordere und jungen Teams erst recht einiges abverlange. Seine wichtigsten Tipps daher – auch für Tiroler Start-ups: „Start-ups brauchen zuerst eine zündende Idee, mit der sie ein Bedürfnis einer großen Masse befriedigen können. Dann kommt das Geschäftsmodell ins Spiel: Wir will man mit seiner Idee Geld verdienen? Und dann braucht es natürlich Geld und ein effizientes Team. Jedes Team sollte einen Visionär, einen Manager, der Geld einwirbt, und einen Technik-Experten haben. Ohne ein klares Kundenbedürfnis mit einem Markt, einer ausgereiften Technologie, ohne ein tragfähiges Geschäftsmodell und ein funktionierendes Team geht gar nichts“. Dazu komme das passende Umfeld: „Start-ups profitieren natürlich von Mentoren, Acceleratoren, Inkubatoren und günstigen politischen Rahmenbedingungen. Investoren wollen Sicherheit, daher scheuen sie davor zurück, in den frühen Phasen in ein Unternehmen zu investieren. Hier kommt die Politik ins Spiel, denn sie hat das Geld und einen langen Atem. Natürlich reden wir vom Geld der Steuerzahler, die Politik wird also gut begründen müssen, warum sie in ein bestimmtes Start-up investiert. Das macht die öffentliche Hand nicht gerade zu einem raschen Entscheider oder Investor. Zudem sollte sich die Politik genau anschauen, wem sie Geld gibt und ob jene, denen sie Geld zur Verfügung stellt, auch damit umgehen können, was sie damit machen, wie sie eine Technologie entwickeln und ein Unternehmen aufbauen. Dazu müssen die Hochschulen eingebunden werden, um jungen Menschen das Handwerkszeug des Unternehmertums zu lernen. Es ist unumgänglich, Entrepreneurship als Teil der akademischen Ausbildung zu etablieren, ebenso wie es einen regen Austausch zwischen Hochschulen und Studierenden hier und der Industrie dort braucht. Alle müssen eingebunden sein, denn nicht zuletzt sind die Hochschulen Fachkräfte-Kaderschmieden für die Wirtschaft und die Industrie. Wirtschaft und Industrie sind so gut wie deine Hochschulen, es ist ein natürliches Band, das beide verbindet. Daher müssen sie miteinander reden, sich austauschen und kooperieren.“

Raus aus der Komfortzone

Die Rahmenbedingungen müssen passen. Aber das allein macht noch kein erfolgreiches Unternehmen. Die persönliche Einstellung eines Unternehmers müsse stimmen, so Catran: „Unternehmer sind ein besonderer Menschenschlag, denn sie gehen Risiken ein. Als Unternehmer wartest du nicht, bis ein anderer Kundenbedürfnisse erkennt und befriedigt. Anstatt ein Problem zu beklagen, packst du es an und löst es. Das heißt, dass du dich ständig motivieren musst, um dein Bestes zu geben. Jetzt in diesem Moment können 20 andere genau dieselbe Idee haben wir du. Also verschwende nicht deine Zeit oder die anderer. Komm in die Gänge, vernetzte dich, tausche dich aus, treibe deine Idee voran, arbeite mit anderen zusammen, unterstütze sie bei ihrer Arbeit und überzeuge sie, dir zu helfen. Solange du nicht um Geld frägst, wird es immer Leute geben, die dich gerne unterstützen. So lernt man voneinander und wächst aneinander. Die Zusammenarbeit von Start-ups untereinander ist etwas Wesentliches, denn sie bringt allen Vorteile, nicht nur, weil Start-ups noch viel zu lernen haben. Man stimuliert sich gegenseitig und bringt sich gemeinsam voran. Diese Zusammenarbeit ist es, was Start-ups von großen Unternehmen unterscheidet: Start-ups kooperieren, Unternehmen konkurrieren. Und noch ein Tipp: Frage als Start-up einen Investor nie um Geld – überzeuge ihn mit deinem Team, deiner Technologie und deiner Fähigkeit, damit Geld zu verdienen. Technologie verdient kein Geld, sondern Menschen. Sei überzeugt von deiner Geschäftsidee und deinem Geschäftsmodell! Wie willst du einen Investor von deiner Arbeit überzeugen, wenn du selbst daran zweifelst?“